Ein Steinkreuz- Streit vor 420 Jahren
Über steinerne Kleindenkmale ist in der TLZ bereits mehrfach berichtet worden. Der nachfolgende Beitrag setzt die "Reihe" fort und führt in die Zeit Ende des 16. Jh.

s ging damals um einen Streit und Streit konnte seit Menschengedenken um alles Mögliche entstehen. Dabei änderte sich, dem Zeitgeist entsprechend, natürlich oftmals der Gegenstand, um den sich ein solcher entbrannte.

Und so ist es dann aus heutiger Sicht zwar nur schwer nachvollziehbar, deshalb aber trotzdem nicht weniger interessant, daß man vor 420 Jahren ganz heiß um ein kleines Kreuz aus Muschelkalkstein gestritten hatte, ja sogar fast 30 Jahre lang wegen dieses corpus delicti vor Gericht prozessierte. Beleuchtet man diese längst vergangene Geschichte näher, so entsteht ein Bild, welches kulturgeschichtliche Einblicke gewährt und deshalb von allgemeinerem Interesse ist.

Das eher unscheinbare, stark verwitterte Kreuzchen in wohl ursprünglich lateinischer Form (heute ohne Kopf) steht noch heute in der Nähe von Arnstadt auf der Alteburg am Fahrweg nach Espenfeld (Mbl. Arnstadt, H 31 340 R 24 080). Es ist 0, 60 m hoch, 0, 57 m breit und hat eine Stärke von 0, 17 m.

In neuerer Zeit dürfte dieses Flurdenkmal spätestens seit dem 1892 erschienen Beitrag "Flurzug und Flurstreit"
(1), welchem 1964 (2) , 1979 (3) und 1991 (4) weitere folgten, in das öffentliche Interesse gerückt sein.

Woraus nun resultierte die Aufmerksamkeit an diesem Steinkreuz? Um 1580 kam es zwischen den Bürgern der Stadt Arnstadt und den Bewohnern der Gemeinden Espenfeld und Siegelbach an der gemeinsamen Flurgrenze auf der Alteburg, wie bereits angedeutet, zu jahrelang anhaltenden Flurstreitigkeiten. Objekt des Haderns war unser Steinkreuz, welches die Bauern beider Orte "(...) als die uralte heilige Markscheide zwischen Stadt- und Dorfflur angesehen wissen (...)" wollten (5). Die Arnstädter sahen das ganz anders und so blieb heftiger Streit nicht aus. Trieb ein Fleischhauer seinen Hammel oder ein Tuchmacher sein Schaf über das steinerne Kreuz hinaus, so wurden die Tiere von den Bauern genannter Gemeinden gepfändet. Schließlich folgte der Prozeß und die darüber im Arnstädter Kreisarchiv überlieferten Unterlagen (6) enthalten wertvolle Aussagen zur mittelalterlichen Steinkreuzsitte. So ist dann von insgesamt 28, den einzelnen Zeugen gestellten Fragen der Artikel 12 von besonderer Bedeutung für die Steinkreuzforschung. Er lautete im übertragenen Sinne wie folgt: "Zum zwölften Zeugen zu fragen, ob es Brauch und Gewohnheit war, daß man zu Grenzscheidungen oder Malsteinen große steinerne Kreuze, worein Schwerter und andere Mordwaffen gehauen waren, aufzurichten pflegte, oder weshalb sonst vor Alters solche Kreuze aufgerichtet wurden" (7).

16 der insgesamt 18 vernommenen Zeugen, also die große Mehrzahl, bestätigten durch ihre Aussagen, daß die Steinkreuze in ihrem Ursprung Sühnekreuze waren. Lediglich zwei Bürger standen dieser Auffassung entgegen, wobei einer, der 73jährige Hans Henner sen., angab, daß man zur Flurscheidung Holzkreuze mit dem Leiden Christi setzte (8).

Besonderer Erwähnung bedarf die Aussage des 71 Jahre alten Bürgers und Fleischhauers Bernhardt Anemuller. Er erschien als einziger Zeuge, der noch selbst erlebt hatte, als einstmals nach begangenem Totschlag ein heute verschwundenes Steinkreuz in der Nähe des einstigen Siechhofes (Arnstadt, Bahnhofstr. 21) gesetzt wurde. Anemuller sagte: "Er habe woll gesehen Wo ein todtschlagk geschehen sey, Das man solche Creutze Hette gesatztt gehatt. Wie dan eynes einmall nicht weitt vom Siechhofe allhier gesetztt wordenn, do eyner erschlagen wordenn, Es sey langk, das es geschehen sey, Er gedencke es Kaum, Aber doch wiße er sichs Zuer Innern."
(9) Obwohl der Quellenwert der Aussage hoch ist, muß man beachten, daß außer einem Zeugen niemand sonst eine Steinkreuzsetzung nach erfolgter Tötung eines Menschen erlebt hatte. Die Äußerungen ergeben, daß die anderen Zeugen mit Ursprung und Zweck der Steinkreuze nur durch die Überlieferung vertraut waren.

Hinzu kommt, daß die Gegenseite dazu eine völlig andere Auffassung vertrat. Die Espenfelder erklärten während der Zeugenvernehmung, daß an dieser Stelle ursprünglich ein Malstein gestanden hätte, der in Erde zu verschwinden drohte. Zu Bekräftigung des Malstein-Standortes, so die Espenfelder, entfernten ihre Vorfahren ein vor ihrem Dorfe stehendes Steinkreuz und stellten es oben auf der Alteburg neben dem Malstein auf... (10) Aus dem späteren Verlauf der Arnstädter Flurzüge erkennt man, daß die Dorfschaften Recht behielten, "(...) doch wohl, weil das Recht auf ihrer Seite stand." (11)

Jahrhunderte später erregte das kleine Steinkreuz auf der Alteburg nochmals die Gemüter. Im Januar 1936 stellte man behördlicherseits den Diebstahl des Denkmals, das gleichzeitig als Flurgrenzstein fungierte, fest. Polizeiliche Suchmaßnahmen blieben ohne Erfolg, worauf der Oberbürgermeister in der Presse 25,- RM Belohnung für die Wiederbeschaffung aussetzte. Ende Februar 1936 wurde es schließlich gefunden und am alten Standort, der Flurgrenze zwischen Arnstadt, Espenfeld und Siegelbach wieder aufgestellt
(12).

Peter Unger (Archivar)
Kontakt:  Peter Unger
WEB: www.wapuklo.de
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Anmerkungen:
(1) Einert, Emil: Aus den Papieren eines Rathauses, Arnstadt 1892, besonders S. 5 ff.
(2) Michaelis, R.: Ein Beitrag zur Steinkreuzforschung aus Arnstadt in Thüringen. In: Sächsische Heimatblätter 10 (1964), S. 369 f.
(3) Unger, P.: Aussagen zum Steinkreuzproblem in einem Flurstreit in Arnstadt im Jahre 1580. In: Urgeschichte und Heimatforschung 16, Weimar 1979, S. 41 ff. Hier erfolgte erstmals die Wiedergabe der Zeugenaussagen nach dem überlieferten Originaltext.
(4) Ders.: Ein Steinkreuz als Streitobjekt. In: Aus der Vergangenheit von Arnstadt und Umgebung, H. 1, Arnstadt 1991, S. 35.
(5) Einert, E., a. a. O., S. 6.
(6) Kreisarchiv Arnstadt, Bestand Stadt Arnstadt, Sig. 712- 04- 3, Flurstreit Arnstadt- Espenfeld- Siegelbach 1580.
(7) A. a. O., S. 4 f.
(8) A. a. O., S. 11.
(9) A. a. O., S. 52.
(10) Herrn G. Leibe (Dosdorf) danke ich herzlich für diesen Hinweis. Bisher waren Zeugenaussagen der Espenfelder und Siegelbacher unbekannt!
(11) Einert, E., a. a. O., S. 12.
(12) Kreiarchiv Arnstadt, Bestand Stadt Arnstadt, Sig. 371- 01, Steinkreuz am Espenfelder Weg, 1936.
Fotos: Tuckerland

 

Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 39 der
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