Das "Kreuzchen" bei Arnstadt
ein, nein, liebe Freunde der TLZ, der Unger will Euch nicht schon wieder mit Erkenntnissen um eines der von ihm so sehr geliebten Steinkreuze strapazieren. Auch wenn für das nachfolgend zu beschreibende Objekt der frühere Standort eines solchen Namen gebend wurde. Doch dazu unten mehr. Jetzt wollen wir erst einmal ein Ereignis aus dem "Wende"- Herbst 1989 in Arnstadt etwas näher "beleuchten".
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich hier Anfang Oktober 1989 ein Gerücht, welches sich schon kurze Zeit später als unheimliche Realität erwies: " Jemand hat das 'Kreuzchen' gesprengt!" Das schlug damals ein wie eine Bombe, im fast wörtlichen Sinne! Tatsächlich ergaben die kriminalpolizeilichen Ermittlungen, daß am Nachmittag des 3. Oktober 1989 Angehörige der Sowjetarmee diesen beliebten Aussichtspunkt im Naherholungsgebiet "Alteburg" durch eine gezielte Sprengung vernichtet hatten.
Augenzeugen im benachbarten Siegelbach hatten an diesem Tag im Geratal unterhalb des "Kreuzchen" einen Armeehubschrauber landen und Soldaten den Berg zum Aussichtspunkt hinauf stürmen sehen.
Kurz darauf eine laute Detonation und das "Kreuzchen" war nur noch ein Steinhaufen. Nach Angaben der sowjetischen Militärs sollten die Soldaten eigentlich im benachbarten Jonastal landen und von dort aus auf dem angrenzenden Truppenübungsplatz Ohrdruf ein militärisches Objekt sprengen. Fälschlicherweise seien sie aber im Geratal gelandet und hätten im "Kreuzchen" das zu vernichtende Miltärobjekt gesehen- so die Ansicht der Sowjets.
m Arnstadt jener Tage war es bereits zu "Wende"- Aktivitäten des "Neuen Forum" gekommen und viele Arnstädter meinten, noch hinter vorgehaltener Hand, daß die Sprengung des "Kreuzchens" als gezielte Provokation des Ministeriums für Staatssicherheit gemeinsam mit den örtlichen Staatsorganen zu betrachten sei. Als Warnschuß sozusagen für die unzufriedenen Bürger vor weiteren "staatsfeindlichen" Aktionen gegen die DDR.

Keine der beiden geschilderten Versionen konnte wirklich bestätigt werden. Auch diesbezügliche Aktivitäten nach dem Untergang der DDR blieben ohne schlüssiges Klärungsergebnis. So hüllt sich um ein unheimliches Ereignis, das erst 12 Jahre zurückliegt, wohl für immer der Mantel des Schweigens.
Nun einige Bemerkungen zur Geschichte dieses wunderschönen Aussichtspunktes, von dem aus man einen herrlichen Blick in den Plaueschen Grund und zum Thüringer Wald hin genießen kann.

Blick Richtung Arnstadt

Blick Richtung Plaueschen Grund

Ganz sicher markiert die Flurbezeichnung "Kreuzchen" den Standort eines ehemals in der Umgebung befindlichen mittelalterlichen Steinkreuzes. Denn um 1580 verlangten die "...Siegelbacher und Espenfelder... die Flurgrenze der Stadt zurückgeschoben bis ans Stephansthal, wo ein Stein, in dem Schwerter ausgehauen, die Flurmarke sein soll." (I)

Der damalige Bürgermeister Hans Nebel befahl jedoch seinen Stadthirten, ihr Vieh auch weiterhin bis ins Hüntal (hierdurch führt heute die Verbindungsstraße von Siegelbach nach Espenfeld) zu treiben. Denn "Jener Stein sei nimmer ein Grenzstein, sondern es liege ein Erschlagener darunter." (II) In einer anderen, zeitgleichen Quelle spricht man "Von dem Creutze, so Unden an der Straße gestanden unter Dem Steffensthale..." (III) Danach scheint sich das Steinkreuz am Fuße des Berges, auf welchem das heutige "Kreuzchen" steht, befunden zu haben. Später hat man den Berg offensichtlich mit in die Flurbezeichnung einbezogen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. bemühte sich in Arnstadt ein ausschließlich von bürgerlichen Kräften getragener "Verschönerungs- Verein" um die Gestaltung von Aussichtspunkten, u. a. am Fürstenberg und oberhalb der Eremitage.

Am 5. Oktober 1895 trat dieser Verein mit der Bitte an den Arnstädter Magistrat heran, "...uns (dem Verein) gestatten zu wollen, am sog. Kreuzchen ... auf der Alteburg, auf dem vorspringenden Kopf über dem Stephansthale eine Schutzhütte mit Kleinem Aussichtsthurme errichten zu dürfen. Die Schutzhütte sowohl als auch der Thurm werden vollständig massiv von Bruchsteinen erbaut ... Der innere Raum der Hütte erhält eine Bank und einen Tisch von Stein." (IV) Gemeinsam mit Vertretern der Stadt erfolgte eine Besichtigung der Örtlichkeiten, wobei man feststellte, "daß von dem höher gelegenen Kaempfs- Thürmchen (V) die Aussicht nicht umfassender ist, als vom Kreuzchen aus." (VI) Ausschlaggebend für eine positive Entscheidung war, "daß das Kreuzchen weiter in den Plaueschen Grund vorspringt, von ihm auch der untere Teil (desselben) sichtbar ist ... und die nähere Lage der Stadt." (VII)

Den Entwurf und die Bauausführung besorgte der Maurermeister Constant Hoy aus Arnstadt. Die Baukosten betrugen rund 1170 Mark bei einem damals durchschnittlichen Tageslohn eines städtischen Handarbeiters von 1, 75 Mark. Ende 1895 war der Bau in Arbeit und im Juli 1896 hatte man das "Kreuzchen" in der noch heute bekannten Form fertiggestellt. Es sollte auf der Alteburg an eine "Burg mit Wachthurm" erinnern.

Nach der Sprengung im Oktober 1989 begannen Soldaten der Roten Armee mit dem Wiederaufbau, allerdings in einer eher dilettantischen Art und Weise, die so nie hätte zu Ende gebracht werden können. Deshalb entschloß sich die Stadtverwaltung zum Wiederaufbau des "Kreuzchen" als Aussichtspunkt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) mit versierten Kräften an der Spitze. Und so ist es dem unermüdlichen Einsatz des damaligen Stadtrates Heinz Walther und dem Maurerpolier Reiner Kraus zu danken, daß das "Kreuzchen" in seiner alten Schönheit am 14. Juli 1991 einer begeisterten Öffentlichkeit wieder übergeben werden konnte.
14. Juli 1991, "Kreuzchen" bei Arnstadt


Peter Unger (Archivar)
Kontakt:  Peter Unger
WEB: www.wapuklo.de

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(I) Einert, E.: Die Zeiten des großen Brandes, ein Bild aus Arnstadts Vergangenheit. Arnstadt 1885, S. 17.
(II) A.a.O., S. 18.
(III) Kreisarchiv Arnstadt, Bestand Stadt Arnstadt, Sig. 712-03-5, "Flurstreit zwischen Arnstadt, Siegelbach und Espenfeld 1580". Vgl auch den Beitrag "Ein Steinkreuz- Streit vor 420 Jahren" in der TLZ, Nr. 39 (Ausg. Sept. 2000).
(IV) Kreisarchiv Arnstadt, Bestand Verschönerungsverein Arnstadt, Sig. 2-259-01-1.
(V) "Kämpfs Türmchen" lag dem "Kreuzchen" gegenüber in Richtung Siegelbach. Hier hatte der Arnstädter Kaufmann Kämpf (gestorben 1810) einen Stall mit ersteigbarer, zinnenartiger Bekrönung errichten lassen, der nach seinem Aussehen den Namen "Kämpfs- Türmchen" erhielt, um 1890 bereits verschwunden war und mit dem "Kreuzchen", wie in der Literatur gelegentlich behauptet wird, nicht in Verbindung zu bringen ist.
(VI) Wie Anm. 4.
(VII) Ebenda.
Fotos:
Tuckerland

Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 44 der
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