Das Walpurgiskloster sollte Wilhelmshöhe werden!
Kürzlich erhielt ich von Frau Andrea Ziegenhardt, der Leiterin des Kreisarchivs Arnstadt, die Information, daß der sogenannte "Walpurgiskirchhof" in der Nähe des Walpurgisklosters 1882 in "Wilhelmshöhe" umbenannt werden sollte.
hr TLZ- Freunde gestattet mir zu diesem historisch verbürgten "Sachverhalt" sicher einige Überlegungen. Ihnen folgt dann das zeitgenössische Pressezitat mit einem ebenso zeitgenössischen wie reizvoll zu lesenden Gedicht. Damit möchte ich nochmals an das am 1. Mai 2001 stattfindende 10. Walpurgisfest auf dem "Wapuklo" in den "Hohen Buchen" bei Arnstadt erinnern. Es beginnt 14 Uhr und für Interessenten habe ich außerdem ein kleines Broschürchen verfaßt, daß neun bisherige Walpurgisfeste Revue passieren läßt und neben einer kleinen Chronik zur Geschichte des Walpurgisklosters auch einen Lageplan der ausgegrabenen Gebäudereste enthält und zum Fest erworben werden kann. Eine gut gestaltete Wegeskizze (von Reinhard Pahl, der Satz und Gestaltung übernahm) führt auch Nicht- Arnstädter zum nach wie vor geheimnisumwitterten "Wapuklo".


(I) - Bildtext siehe Anhang

Seit Menschengedenken versuchte man aus machtpolitischen Erwägungen heraus, geschichtsträchtige Stätten den gegebenen Verhältnissen anzupassen oder im jeweils herrschenden Sinne umzudeuten und Örtlichkeiten mit dem Namen einer Persönlichkeit zu belegen, die gerade "in" war, wie man heute zu sagen pflegt.

Das betraf möglicherweise die auf dem vielleicht seit dem 8. oder 9. Jh. christianisierten Walpurgisberg gelegene, einst heidnische Kultstätte ebenso, wie das spätestens seit 1196 urkundlich hier nachweisbare Benediktiner- Nonnenkloster, das Walpurgiskloster. Dessen Doppelpatrozinium erinnerte ja als Bergpatrozinium an die Hl. Walpurgis und die Klosterkirche hier oben war der Hl. Maria geweiht.
Nachdem das Walpurgiskloster bis 1309 durch die Hersfelder Äbte nach Arnstadt hinein an die Liebfrauenkirche verlegt worden war, bezeichnete man spätestens seit dem 19. Jh. den freien, von mächtigen Rotbuchen, den sogenannten "Hexenbuchen", umstandenen Platz als "Walpurgiskirchhof". Niemand wußte mehr, wo vor etwa 500 Jahren das Walpurgiskloster mit seiner Marienkirche gestanden hatte. Nur wer genau hinsah, konnte anhand der Steinwälle noch ungefähr die Lage desselben im Gelände ausmachen. Ansonsten nahm der ab 1867 aufgeforstete Wald Jahr für Jahr dieses Terrain in seinen Besitz.


(II) - Bildtext siehe Anhang

Die Arnstädter, die um 1800 hier oben noch fröhliche Stunden in herrlichster Umgebung verlebt hatten, gründeten 1808 die"Eremitage". Weil Fürst Günther Friedrich Carl II. (1801-1889) ihre "Einsiedelei" unterstützte, benannte man nach ihm ab etwa 1840 (er regierte 1835- 1889) eine Fläche nahe des früheren Klosters als "Günthershöhe" und übertrug einem Aussichtspunkt, von dem aus man noch heute einen herrlichen Blick ins Geratal, zum Thüringer Wald hin mit dem Schneekopf genießen kann, diesen Namen und erinnert damit an "fürstliche" Zeiten vor etwa 150 Jahren.

Von der "Günthershöhe" zur "Wilhelmshöhe". Erstere behielt aus der Tradition heraus bis heute ihren Namen, während aus dem "Walpurgiskirchhof" eine "Wilhelmshöhe" werden sollte, was nie geschah. In Erinnerung an Wilhelm I. (1797-1888), König von Preußen und Deutscher Kaiser seit 1871. Diesbezüglich waren die Arnstädter vielleicht mehr "Fürsten-" als "Kaiser-" Treu.

In der Beilage von Nr. 207 des Exemplares "Arnstädtisches Nachrichts- u. Intelligenz- Blatt" vom 8. Sept. 1882 hieß es unter "Lokales": "Der allgemeinen und nicht unberechtigten Klage darüber, daß man denjenigen Theil des `Walperholzes´, auf welchem vor Zeiten ein Nonnenkloster gestanden, seines historischen Namens beraubt und den hübschen, waldumsäumten Platz `Wilhelmshöhe´ getauft hatte, Ausdruck zu geben, ist uns folgendes Gedicht eingesandt worden, welches wir um so lieber zum Abdruck bringen, als wir die Wahrnehmung gemacht haben, daß im Volksmunde der letztere Name trotz der Verehrung, welche der Kaisernahme hier besitzt, keinen Anklang gefunden und der Platz nach wie vor "Walpurgiskirchhof" genannt wird. Mit Recht hat man deshalb auch vor einiger Zeit in aller Stille die an einer dort stehenden Buchen befindliche Blechtafel mit dem Namen "Wilhelmshöhe" verschwinden lassen und es wäre wohl zu wünschen, daß der eifrige Naturfreund, welcher, der Thätigkeit des Thüringer Waldvereins etwas vorauseilend- was wir übrigens nur dankbar anerkennen müssen- auf seinen `Orientierungstäfelchen´ eine gleiche Remedur (Abstellung eines Mißstandes) vornehmen und so dazu beitragen wollte, einem alt historischen Namen zu seinem wohlerworbenen Rechte zu verhelfen.

Walpurgiskirchhof oder Wilhelmshöhe
1.) Der heil´gen Walpurgis Kirchhof
Erglänzet im Mondenschein,
Und rascheln feget der Nachtwind
Durch wildes Gestrüpp und Gestein.
2.) Da hebt sich der Boden, es kommen
Verblich´ne Gestalten hervor;
Es taucht aus verfallenen Gräbern
Der Nonnen gespenstischer Chor.
3.) Sie setzen sich schweigend im Kreise
Auf niedrigem Mauerrand,
Wo einst in versunkenen Tagen
Ihr einsames Kloster stand.
4.) Und aus der Versammelten Mitte
Ersteht eine hohe Gestalt,
Sie klagt mit gerungenen Händen
Hinaus in den rauschenden Wald:
5.) "Ach, lange nun ist vergraben
In die Vergessenheit
Der Tag, an dem ich die Seele
Der Mutter Gottes geweiht.
6.) "Die Zeiten, wo ich das Kloster
Als Schwester Aebtissin gelenkt,
Sie sind sammt Kloster und Kirche
In Grabes = Dunkel versenkt.
7.) "Jetzt wird an der heiligen Stätte
Gezecht, musiziert und getanzt,
Und unsere Gräber und Mauern,
Die werden mit Walde bepflanzt.
8.) "Nur Wenigen noch ist der Name
Des alten Klosters bekannt;
Der Ort wird ohne Beziehung
Jetzt "Wilhelmshöhe" genannt.
9.) "So läßt uns das bittere Schicksal
Nicht Ruhe an diesem Ort;
Bald treibt uns des Waldes Dunkel
Aus unserer Heimath fort.
10.) "Und selbst der Name Walpurgis
Wird balde verschwunden sein -"
Sie sprach ´s, da dröhnte von Ferne
Des Thurmes Glocke darein.
11.) Da hob sich der Boden, es sanken
Die Nonnen zur Tiefe hinab,
Und raschelnd streifte der Nachtwind
Ihr stilles, vergessenes Grab."
 


Peter Unger (Archivar)
Kontakt:  Peter Unger
WEB: www.wapuklo.de
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(I) - Jedes Jahr werden in Vorbereitung des Walpurgisfestes Pflege- u. Reparaturarbeiten am Klostergelände vorgenommen.
Im obeneren Bildteil: Manfred Wahl; im unteren v.l.n.r. Andreas Mayer und Holger Karnahl. Foto: Tuckerland
(II) - Historische Postkarte vom Walpurgiskirchhof bei Arnstadt

Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 47 der
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