Zwei
frühneuzeitliche Sonnenuhren an der Kirche in
Kleinbreitenbach (Plaue/ Ilmkreis) Peter Unger / Winfried Bollmann m 27. Mai 2001 stattete ich gemeinsam mit Herrn Gerhard Leibe (Dosdorf) der ehemaligen Mühle in Kleinbreitenbach einen Besuch ab (s. S.). Danach fuhren wir noch zur Kirche Kleinbreitenbach. Hier interessierte mich das Relikt einer alten Sonnenuhr im Scheitelbogen des zugemauerten Portals an der Südseite der Kirche [1]. Zu erkennen waren (von links nach rechts bogenförmig verlaufend in den Stein geritzt [2] oder gehauen) die Zahlen 6, 7, 8, 9, 10, 1, 2, 3, 4, 5 (?). Die Zahlen 7 und 4 wiesen nach einem Vergleich mit anderen Beispielen [3] recht eindeutig in das 16. Jh. |
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Die 10 war als römisches Zahlzeichen X dargestellt. Die 4 als heute weitgehend unbekanntes Zeichen sah wie folgt aus: . Sicher folgte auch noch die 5, doch war hier der (wahrscheinlich rote Dosdorfer) Sandstein zu Ende und nach der Fuge zum anschließenden Stein konnte man nichts mehr erkennen. | |||
Auf dem Friedhof in Kleinbreitenbach trafen wir einen Gewährsmann [4], der uns versicherte, daß diese Sonnenuhr noch während seiner Schulzeit 1943 mit einem gangbarem Stab versehen war, |
durch
welchen die Zeit zuverlässig angezeigt wurde. Eine zweite Sonnenuhr befindet sich, wenn man vor dem Portal steht, links unten. Die Zahlenreihe deutet ihrer Entstehung nach (man beachte die arabische 4) in das 17. Jh. Der Stein könnte von einer anderen Stelle stammen, was allerdings bedeuten würde, daß das Portal an dieser Stelle erst im 17. Jh. gebaut worden wäre. Herr Winfried Bollmann hat beide Sonnenuhren untersucht und ist zu den nachfolgend geschilderten Ergebnissen gekommen. |
1.
Beschreibung der Uhr am Portalscheitel Auf dem ersten Blick sind nichts weiter als die eingeritzten/ eingehauenen Zahlen für die Stunden zu erkennen: |
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6 - 7 - 8
- 9 - X - <11> - 12 - 1 - 2 - 3 - 4 - ... Wenn die Schattenlinie lotrecht auf das Zifferblatt fiel, zeigte die Sonnenuhr nicht die Mittagsstunde (12) an, sondern 11.oo Uhr. Erst danach folgte 12.00 Uhr. |
Dieser Umstand
weist auf den Typ der Uhr hin. Es ist eine
"Abweichende Vertikaluhr". Zu diesen Sonenuhren
schreibt Zenkert: "Die Auffangfläche verläuft
vertikal, die Wandrichtung aber nicht in
Ost-West-Richtung. Die Stundenlinien verteilen sich
unterschiedlich auf den Vor- und Nachmittag, je nach Art
der Wandabweichung... Sie verlaufen nicht zur 12 h-Linie,
sondern zur Zeigergrundlinie symmetrisch." [5] Eine Abweichung der Ost- West- Achse der Wand und des Grundrisses der Kirche- von ihrem Ostende ausgehend- nach Norden bedingt eine Verschiebung der 12 h- Linie in den "Nachmittagsbereich". Die Stundenzahlen sind so angeordnet, daß einmal von Mitternacht beginnend und dann von der Mittagsstunde an beginnend gezählt wurde. Damit liegt die Zählweise für das "bürgerliche Jahr" vor. Es ist nicht mehr auszumachen, an welcher Stelle der Polstab im Stein befestigt war. Die Schreibung der Zahlen und die Baugeschichte der Kirche lassen eine Entstehungszeit frühestens im 16. Jh. zu. |
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Seit dem 15. Jh. war der Polstab bekannt. Ein solcher könnte direkt am oberen Ende der Mörtelfugegesteckt haben. Vorstellbar wäre aber auch ein waagerechter Polstab. Der müßte auf der Höhe etwa der Ziffer 6 befestigt gewesen sein. Es fehlen jegliche Linien, um auch nur eine einzige Stunde zu bestimmen. Diese Uhr läßt es höchsten zu, die Mittagsstunde ungefähr anzugeben. |
2. Beschreibung der Uhr
am linken Gewände des Portals
Diese Uhr ist identisch aufgebaut. Die Stundenzahlen sind
wieder:
6 - 7 - 8 - 9 - X - II - 12 - 1 - 2 - 3 - 4
Hier ist die 11-h-Ziffer eingeritzt, da die ungeteilte Fläche des Sandsteines als Beschreibstoff zur Verfügung stand. Eine verputzte Stelle auf der Höhe der 6 läßt die Stelle der Befestigung des Polstabes vermuten. Unter dieser Stelle ist noch eine Markierung eingeritzt. Das läßt den Gebrauch eines waagererchten Schattenstabes vermuten. Der Sandstein, der hier als Zifferblatt dient, und zuerst zum Bau des Portales ausgesucht wurde, zeigt Spuren einer vorhergehenden Erstverwendung. An seinem unteren linken Ende sind Reste eines Ornamentes zu erkennen, das nicht eingeritzt, sondern erhaben gefertigt ist. Es hat die Gestalt eines Flechtbandes.
2. Funktion der
Sonnenuhren in Kleinbreitenbach
Ab dem 14./ 15. Jh. wurden mechanische Schlaguhren in
Rathaus-, Schloß- und Kirchtürmen installiert. Die Sonnenuhren
verloren zwar noch nicht ihre Funktion, aber sie dienten mehr und
mehr sekundärer Verwendung. Eingeritzte Sonnenuhren an Kirchen
verweisen mitunter in dieser Zeit auf die Prüfung der neuen
Kirchturmuhren.
In Kleinbreitenbach ist dies schwer vorstellbar. Dazu zeigen
die beiden Uhren die Zeit zu ungenau an. Die Funktion der beiden
Uhren bleibt offen. War es eine Spielerei, etwa mit
pädagogoischem Hintergrund? Oder war es eine Reminiszenz an die
lange, Jahrhunderte währende Abhängigkeit des Dorfes und seiner
Kirche zum Walpurgiskloster? Denn es war so¸ daß Sonnenuhren im
Mittelalter oft über oder neben der Priesterpforte angebracht
wurden.
Peter Unger (Archivar) / Winfried
Bollmann
Kontakt: Peter
Unger
WEB: www.wapuklo.de
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[1] Den Hinweis auf diese Sonnenuhr gab mir Herr M. Wahl
(Arnstadt).
[2] Über geritzte Sonnenuhren vgl. Zenkert, A.: Faszination
Sonnenuhr. Berlin 1984, S. 16 ff.
[3] Grun, P. A.: Leseschlüssel zu unserer alten Schrift.
(Reprint) Limburg 1984, Tafel X und XI.
[4] Nach freundlicher Mitteilung von Herrn G. Steinbrück
(Kleinbreitenbach).
[5] Zenkert, A.: Faszination Sonnenuhr. Berlin 1984, S. 124.
Fotos: www.tuckerland.de
Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 50 der
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