Falknerknabe

eit einigen Wochen laufen Arnstädter Bürger Sturm gegen eine Mauer, die den denkmalgeschützten Schloßgarten vom öffentlichen Verkehrsraum einer vielbefahrenen Kreuzung abgrenzen soll, an deren Stelle künftig ein nicht unumstrittener Kreisverkehr entstehen wird. Diese Mauer war ausgewiesen im seit 1997 öffentlich ausliegenden Parkpflegepflegewerk. Zu unscheinbar. Und: kaum einer hat sie so wahrgenommen darin. Jedenfalls weckt diese neue Mauer bei vielen Arnstädtern unangenehme Assoziationen an die neuere Vergangenheit.
Doch auch wegen der weiter zurückliegenden Geschichte finde ich sie überflüssig. Der gräflich- fürstliche Schloßgarten war bis 1918 ummauert und Zutritt gewährte man der Öffentlichkeit nur eingeschränkt. Nach Abdankung der "Herrschaft" änderte sich das Bild, die Mauer am Schloßgarteneingang an der erwähnten Kreuzung verschwand und im Park konnte jedermann erholsame Stunden verbringen.

Seit 1939 bzw. seit 1955 stand dann hier in gepflegten Anlagen bis zum Beginn der Bauarbeiten eine liebenswerte kleine Bronzefigur, von der in den folgenden Zeilen die Rede sein soll.

Es sind dies auch persönliche Überlegungen, denn als Kind dieser Stadt beklage ich den Verlust eines mir lieb gewordenen Ensembles. Ich meine den Schloßgarten- Eingang von der Kreuzung Bahnhof- Straße her, auch wenn die zuletzt hier befindlichen Hochbeete nicht schön waren. Ich meine diesen offenen Blick in den Park, der, egal zu welcher Jahrezeit, Lust machte darauf, sich empfangen zu lassen von Arnstadt, dem "Tor zum Thüringer Wald".

Wo der Falknerknabe den Einheimischen nach einer Reise in die Ferne in heimatlichen Gefilden wieder willkommen hieß und den Fremden auf freundliche Weise einlud zum Besuch in diese Stadt. Hatte man die lebhaft befahrene "Straßburg- Kreuzung" verlassen und sah den Schloßgarten- Eingang mit dem Falkner, dann war klar, man war wieder "daheim". Mit der jetzt entstandenen Mauer "knüpft sich Arnstadt zu"; ein bischen bis oben hin, meine ich.

Und der Falknerknabe, mit dem es ja historisch seine Bewandnis hat, der wird nun weggestellt, hinter die Mauer. Wer dann den Schloßgarten nicht durchquert, sondern seinen Weg am Spielplatz vorbei zum Landratsamt oder über die Bahnhofstraße zur Innenstadt sucht, der bekommt ihn, anders als seit 1955, also seit 46 Jahren, so nicht mehr zu sehen.

Schöpfer der 1, 35 m hohen und 48 kg schweren Bronzestatue war der am 12. April 1893 in Arnstadt geborene Bildhauer Ernst Paul Hinckeldey, der seine Kindheit im Haus Mittelgasse 11 verlebte und die Knabenbürgerschule am Schulplan besuchte. Er zählte zu den leistungsstärksten Schülern, kam nach einer vierjährigen Lehrzeit als Bildhauer zur Kunstgewerbeschule nach Berlin und hatte hier die Chance, ohne an der Hochschule für Bildende Künste zu studieren, gleich als Meisterschüler der Kunstakademie beizutreten. Als 18jähriger zeigte Hinckeldey in einer Berliner Ausstellung ein bemerkenswertes Selbstporträt. Beim Verlassen der Kunstakademie erhielt er 1919 den Rompreis und 1920, von 56 Bewerbern, den Großen Staatspreis. Er lebte zurückgezogen in Rothenburg o. d. Tauber. Seine Werke fanden auf Kunstausstellungen in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre in Berlin, München und Weimar Beachtung, was ihn zum Umzug nach Berlin bewog.
Im Zusammenhang mit Bestrebungen zur Verschönerung des Stadtbildes wandten sich Ende der 1930er Jahre Vertreter des Stadtbauamtes an Hinckeldey, der den Verkauf seiner Figur Falknerknabe an seine Heimatstadt am 10. Februar 1939 bestätigte.

Der am 15. Juli 1939 aufgestellten Figur am Eingang des Schloßgartens war nur eine kurze Standzeit vergönnt; die Nazis ließen sie 1942 abbauen, um sie, wie tausende andere Kunstgegenstände, für ihren weltweiten Eroberungskrieg einschmelzen zu lassen. Was aber mit unseren Falkner offensichtlich nicht geschah.

Aus Anlaß der 1250- Jahrfeier der urkundlichen Ersterwähnung weilte eine aufmerksame Hamburger Bürgerin in Arnstadt. Sie hatte unseren Falknerknaben auf einem Foto im "Hamburger Tageblatt" entdeckt, wonach er sich mit vielen anderen Bronzedenkmalen im Hof der "Norddeutschen Affinerie" in der Hamburger Alsterstraße befand.

Nach aufwendigen, monatelang andauernden Schriftwechsel zwischen mehreren Verwaltungsdienststellen der DDR konnte Ende August 1955 die Rückführung der Bronzefigur von Hamburg nach Arnstadt bewerkstelligt werden.

Die Wiederaufstellung des "Falknerknaben" von Prof. Ernst Paul Hinckeldey, der am 11. Nov. 1953 in Herford/ Westfalen verstorben war, erfolgte anläßlich der Dahlienschau am 17. Sept. 1955 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung.

Könnte der Falknerknabe, der zwar in der Nazizeit entstand und eben durch die von den Nazis verursachten Kriegswirren wieder vernichtet werden sollte, könnte dieses kleine Symbol für den deutschen Friedens- und Einheitsgedanken in der Mitte der 1950er Jahre, statt hinter der neuen Mauer nicht doch wieder begrüßend am Schloßgarten- Eingang stehen und gleichzeitig auch warnen? Vielleicht vor neuen Kriegen?

Peter Unger
(Archivar)

Kontakt:  Peter Unger
WEB: www.wapuklo.de
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Fotos der Mauer: www.tuckerland.de (Blinzus)
Foto Falknerknabe: Kreisarchiv Arnstadt

Der oben stehehende Beitrag wurde übernommen aus der No. 53 der
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